Release Party zu „Cyberempathie“: Einblicke in die Stadt Skyscrape
Verdecktes Interview mit einem Bio-Aktivisten
Völlig überdreht und kopflos renne ich durch die Gegend. Heute wird es aufregend und ich bin schon ziemlich nervös.
Mist, schon wieder der Absatz abgebrochen, denke ich entnervt. Also doch keine sexy HighHeels. Da müssen die guten alten Sneakers wohl herhalten.
Die Wimperntusche hat mir auch schon alles verklebt und das gute alten Haarspray ist auch nicht mehr das, was es mal war. Zum Glück lässt mich der Kaffee nicht im Stich.
Warum ich so einen Aufriss mache? Ich treffe mich gleich mit Ronald – einem Bio-Aktivisten. Die sind ja echt etwas abgedreht – als ich ihn jedoch letztens zufällig kennenlernte, mochte ich ihn. Unser Treffpunkt ist ganz unspektakulär: eine kleine Coffeebar. Hah, aber nicht was ihr jetzt denkt. Da läuft alles rum und es gibt auch nicht nur Kaffee. Also perfekt für ein zwangloses Gespräch und bei Bedarf genug Spielraum um abzuhauen … falls die Sache doch etwas ungemütlich wird. Hier in der Unterstadt wird es das eigentlich immer. Aber nun los.
Mit kreischenden Düsen parke ich meinen rostigen Gleiter, der vermutlich auch schon bessere Tage gesehen hat, vor dem „Sam´s“. Es brauchte etwas Überredungskunst bei den zwei Türstehern, aber nun bin ich drin.
Hey, welcher Typ kann mir schon widerstehen, da hilft auch ein noch so breiter Stiernacken nichts.
Mein Blick sucht den engen, verqualmten Raum ab. Ich erspähe schuppige Haut, Katzenaugen, Hundeohren – wie niedlich – ein Krokodilschwanz …? Auf der Suche nach dem neuesten Kick, ließen sich die Leute zu immer krasseren Manipulationen hinreißen. An der Bar entdeckte ich ihn schließlich. Diese spitzen Ohren und die elegant geschwungenen Widderhörner inmitten dem zerzausten blonden Haar, würde ich überall erkennen. Noch einmal kurz durchgeatmet und ran.
Susanne:
„Hey Ronald, bin ich zu spät? Ich sag’s dir, es war die Hölle los!“, begrüße ich ihn und lehne mich neben ihn an die Bar.
„Jetzt brauch ich dringend einen Iced Coffee mit Haselnussgeschmack und einem ordentlichen Milchschaum.“
Er blickt von seinem Glas auf, lächelt mich an und entblößt dabei ein paar spitze Eckzähnchen. Seine Augen haben ein leuchtendes Grün. Seine blonde Mähne hatte er einfach nach hinten geschoben, die Hörner hielten sie an Ort und Stelle. Keine Ahnung warum sich diese Elfenohren so perfekt in das Gesamtbild fügten, aber hey: erwähnte ich schon, dass es neben dem Mögen auch den Umstand gibt, dass er volle Kanne mein Typ ist?
Ron:
„Hey hey. Alles gut, kein Problem. War selber ziemlich spät dran und man soll ja Frauen nicht warten lassen. Ah ja es gibt leider so speziellen Kram nicht, da muss wohl schlichter Kaffee herhalten“, sein Grinsen wurde noch breiter aber verzog sich dann. „Kannst du mich einfach Ron nennen? Der volle Name erinnert mich an meinen Dad.“
Susanne:
„Klar, kein Problem. Hättest du dich gleich so vorgestellt, hätte ich mir den gleich gar nicht gemerkt“, antworte ich und wende mich der Getränkekarte zu. „Wie das gibt es hier nicht? Egal, hauptsache ich bekomme Coffein. Ich liebe Kaffee. Immer, überall und sofort.“
Ron lacht, hebt die Hand und bestellt mir einen Kaffee. Dann rutscht er von seinem Barhocker und deutet mit der Hand darauf – ich pfeife erstaunt.
„Kavalier? Dass es so etwas noch gibt – und dann noch hier!“, lache ich und setze mich hin.
Ron:
Er lehnt sich mit dem Rücken an die Bar, stützt die Ellbogen auf der Theke ab und schaut sich in der Bar um.
„Na ja, meistens muss man keiner sein. Bin auch eigentlich keiner, schätze ich. Hab‘ einfach nicht drüber nachgedacht.“
Susanne:
Was das Ganze noch viel angenehmer macht, denke ich amüsiert.
„Ich mag solche Gesten. Weißt du, was ich noch liebe? Bücher. Ich sag’s dir: für ein gutes Fantasybuch würde ich töten!“, ich lasse meine Augenbrauen tanzen woraufhin er schmunzeln muss.
Ron:
„Du magst also Vintage? Bücher gibt es kaum noch in unserem digitalen Zeitalter. Alles ist über Hologramme lesbar. Spart eben auch Platz, denke ich. Ich bin zwar überzeugter Gegner der Kybernetik was die Optimierung von Menschen betrifft, aber im täglichen Leben schadet es ja nicht“, erklärt er und kratzt sich nachdenklich am Kinn. „Aber Fantasy, da triffst du total meinen Nerv. Ich gehe oft in Holo-Online-Games, manchmal tagelang und lasse mich künstlich ernähren in der Zeit. So vergesse ich unsere Welt und kann mein wahres Ich ausleben.“
Susanne:
„Oh ja, das mag ich. Du ahnst nicht wie sehr. Durch Papier zu blättern ist so anders als durch Hologramme zu wischen“, ich nippe an meinem Kaffee. „Erzähl mir mehr über die Online Games – was für ein Ich verkörperst du da? Ist künstlichen Ernährung nicht auch irgendwie … kybernetisch?“
Ron:
„Es gibt ja zig Spiele, die man online mit anderen Leuten spielen kann. Ich spiele nur wenige und nur solche, in denen man durch VR-Brille mit allen Sinnen eintaucht … so als wäre man wirklich in einer anderen Welt. Man fühlt jeden Schmerz und jedes Gefühl real!“, seine Stimme vibriert vor Begeisterung. „Dort bin ich nicht an die Limitierungen meiner Physis gebunden – und das ohne Körperteile mit kybernetischen Prothesen zu ersetzen! Die künstliche Ernährung ist nur die Injizierung von Nährstoffen, das hat ja nichts damit zu tun, sich einen Arm abzuschneiden und mit Stahl zu ersetzen.“
Er stellt sich gerade hin, rollt mit den Schultern und hebt seine – überraschenderweise 4-fingerigen – Hände vor sich an. Dann ballt er sie zu Fäusten und schaut sie grimmig an.
„Die Natur hat alles, was es braucht, um man selbst zu sein. Sobald ich mir alle genetischen Optimierungen leisten kann, die ich brauche, werde ich Online-Spiele nicht mehr brauchen. Ich habe schon viel erreicht, was das anbelangt. Ich werde mein wahres Ich auch in der Realität ausdrücken können.“
Susanne:
Ich lege ihm meine Hand auf seine Faust und blicke ihn verträumt an.
“Deine genetischen Besonderheiten machen dich zu etwas Einzigartigem. Wie fühlt es sich an, seinem wahren Ich näher zu sein? Ich selbst habe bisher davor zurückgeschreckt.“
Ron:
„Ich habe angefangen mich so zu verändern, wie ich mich selbst betrachte“, er streicht sich mit der Hand über eines seiner Hörner. „Man entkommt dem Schicksal, das die Eltern einem aufbürden. Man kann aussehen wie man will, nicht wie man muss. Es ist wunderbar.“
Er tritt an mich heran und schnüffelt wie ein Hund an mir.
„Du hast auch keinerlei Stahl in dir, du bist wirklich noch total clean. Das ist wirklich selten heutzutage“, sagt er und lächelt mich an, kaum zwei Handbreit von meinem Gesicht entfernt.
Susanne:
„Ron, auch ich hab meine versteckten Besonderheiten. Aber darum geht es jetzt nicht. Es geht um dich. Deswegen bin ich hier. Was willst du wirklich und wie erreichst du es?“, frage ich direkt aber mit charmanter Stimmlage.
Ron:
Er runzelt die Stirn und tritt einen Schritt von mir weg.
„Scheint das ist hier doch kein Date, sondern ein Verhör, hmm?“, fragt er und mustert mich misstrauisch.
Susanne:
„Ich denke, das ist Betrachtungssache – ist es nicht immer das gleiche bei Dates? Man möchte mehr voneinander erfahren und kommt doch kein Stück weiter. Ron, was hast du dir von diesem Date erhofft? Was mich angeht, ich möchte einfach mehr über dich und deinen Ansichten unserer Welt gegenüber erfahren“, ich strecke meine Hand aus und fahre mit dem Zeigefinger von links nach rechts über seine breiten Schultern. „Es verstehen und darin eintauchen. Ein Teil davon sein. Hilfst du mir dabei?“
Ron:
Er atmete tief ein und aus, dann lächelte er wieder und seine Eckzähnchen kratzen über seine Unterlippe.
„So habe ich das nicht betrachtet. Du bist wirklich anders, als die anderen Frauen. Hmmh, meine Ansichten …“, er hält inne, legt den Kopf schräg und überlegt. „Ich bin der Meinung, dass nicht alles unserer modernen Medizin gut ist. Der Körper sollte natürlich bleiben, die Technik hat uns krank gemacht. Einzig die Genetik ist das Werkzeug, was die Natur uns geschenkt hat, um uns selbstbestimmt weiter zu entwickeln. Alleine die Tatsache, dass wir Gene vererben aber ein Organ aus Stahl nicht, ist doch überzeugend, oder? Trotzdem rennen so viele der Technik hinterher in der Hoffnung mit ihrer Stärke in ihrem Leben voran zu kommen. Aber wenn der künstliche Arm beschädigt ist, braucht er eine Reparatur! Der organische Körper, kann das auch allein. Ich bin der Überzeugung, dass wir ohne der Kybernetik viel besser dran sind – dieser Blechschrott gehört ausgemerzt!“
Susanne:
„Du hast so recht“, seufze ich. „Aber was genau kann man schon tun, um das zu ändern und wirklich gehört zu werden? Gibt es überhaupt Methoden um es den Leuten klarzumachen? Man muss sie doch aufklären, was richtig und was falsch ist!“
Ron:
„Manchmal müssen statt Worte, eben Taten sprechen“, knurrt er und verschränkt die Arme vor der Brust. „Wir werden den Blechköpfen der Synthies zeigen, wie schwach sie sind, wenn ihr Stahl nicht mehr funktioniert.“
Er grinst plötzlich siegessicher und zwinkert mir zu
„Schau dir morgen die Berichte über die dritte Ebene an.“
Susanne:
„Jetzt bin ich echt neugierig. Das mach ich auf jeden Fall“, ich streiche mir durch mein Haar und blicke wie zufällig auf die flackernde Holografie einer Uhr über der Bar. „Mist, schon so spät. Ich muss leider gleich los – mein beschissener Chef wird durchdrehen, wenn ich heute wieder zu spät komme.“
Ich lächele ihn entschuldigend an.
„Aber Ron, ich würde es gern noch etwas mehr vertiefen. Ich wünschte echt, ich hätte noch mehr Zeit. Ich habe doch glatt in deiner Gesellschaft die Zeit vergessen. Sehen wir uns wieder?“
Ron:
„Klar, gern“, er zeigt mir ein strahlendes Lächeln. „Am Sonntag wieder hier, so gegen sieben? Wir trinken was und suchen uns dann noch etwas zu essen?“
Susanne:
„Das klingt wunderbar“, antworte ich und rutsche von dem Barhocker.
Als ich bezahlen will, legt mir Ron seine Hand auf das Gelenk und schüttelt grinsend den Kopf.
„Danke dir“, sagte ich und hauche ihm einen Kuss auf die Wange.
Ich schlendere aus der Coffeebar, zwinkere den Türstehern noch kurz zu und setze mich in meinen alten Gleiter. Nachdem ich ihn gestartet habe und den Weg zur Hauptstraße eingeschlagen habe, wische ich mit meinem Finger über das Display und stelle eine Verbindung zum Hauptquartier her
„Ja?“, tönte es nur knapp.
„Morgen auf der dritten Ebene werden die Bios einen Anschlag auf Synths verüben“, berichte ich.
„Gibt es Details wo und wie?“, fragte die Stimme.
„Leider nicht, der Kontakt wurde zwischendrin misstrauisch. Sonntag um sieben könnt ihr ihn festnehmen“, antworte ich.
„Verstanden, gute Arbeit. Wir kümmern uns um ihn“, bestätigte es.
„Achja, eine Kleinigkeit noch“, sage ich und Rons Lächeln mit seinen hübschen Zähnchen beim Abschied kam mir in den Sinn.
„Versucht ihn am Leben zu lassen.“
„Was soll das bringen?“, fragte die Stimme skeptisch.
„Er hat sicher noch weitere Informationen. Außerdem mag er mich wohl, das könnte beim Verhör helfen“, entgegne ich und presse meine Lippen fest zusammen.
Nach einer kurzen Pause antwortete der Kontakt:
„In Ordnung.“
Ein Kommentar
karin
Hallo und guten Tag,
ziemlich durchgeknallt für heutige Befindlichkeiten oder?
Wobei ich da von mir persönlich ausgehe, aber wegen einem Spiel würde ich mich auf keinen Fall künstlich ernähren lassen.
Was wahrscheinlich doch auch einige Leute in unserer Zeit gerne machen würden, wenn es möglich wäre …….
Interessant ist seine Einstellung zur Kybernetik…Ron ist gegen Organe aus Stahl, aber hat sich trotzdem mittels Genetik verändern lassen mit seinen Hörner/spitzen Zähnen…
….weil er selbstbestimmt sich weiter zu entwickeln.
Da frage ich mich schon wie passt das Zusammen…
Bin gespannt was noch in dieser Geschichte passiert und welche weiteren Infos es dazu geben wird.
LG..Karin…